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  Gegenstände, Bräuche, Sprache und Symbolik des Rechts im Fokus kulturwissenschaftlicher Analyse

Dozent/in
PD Dr. Gerhard Handschuh

Angaben
Seminar
2 SWS
Studium Generale, Erweiterungsbereich, Anmeldung zur Lehrveranstaltung über den zugehörigen VC-Kurs im Zeitraum 16.03.-20.04.2015; Modulzuordnungen: Bachelor ab WS 14/15: BM III, BM IV, AM II; Bachelor bis SS 14: BM III, AM I, AM II; Master: VM I, VM III; EM I, EM II; Sonstige: EWS II (Studienbeginn vor SS 2015)
Zeit und Ort: Do 16:15 - 17:45, KR12/02.05

Inhalt
Recht als historisch gewordene Erscheinung der menschlichen Kultur steht in vielfältigem Zusammenhang mit anderen kulturellen Tatsachen und Zuständen, mit denen es entsteht, wächst, schwindet und vergeht. Von da her beschäftigt sich die Rechtliche Volkskunde mit den Beziehungen zwischen Recht und ‚Volkskultur‘, d.h. sie analysiert Rechtsanschauungen und Rechtsüberlieferungen, untersucht also das Nach- und Weiterleben älterer und die Entstehung neuer Rechtsvorstellungen. Sie versucht aber auch die Frage zu beantworten, inwieweit sich das Recht als eine Kulturerscheinung in die populäre Kultur einfügt. Ausgehend von historisch fixierten Volksrechten, wie sie im 13. Jahrhundert im Sachsen- und im Schwabenspiegel niedergelegt wurden und in Weistümern und Dorfordnungen weitere Verbreitung erlangten, sollen über Jahrhunderte hinweg gültige Rechtsvorstellungen im Jahres- und Lebenskreis sowie innerhalb der Sachkultur untersucht werden. Gleichsam als „Aberrecht“ herrschten Rechtsvorstellungen im mündlich tradierten Gewohnheitsrecht vor, das partiell seit dem 13. Jahrhundert aufgeschrieben und besonders in Bräuchen innerhalb des Lebenslaufs dokumentiert wurde.

Den Wandel vom Volks- zum Rechtsbrauch und umgekehrt belegen beispielhaft viele Bräuche im Jahreskreis. Das Verhältnis zur obrigkeitlichen Rechtssetzung verschaffte sich häufig in Parodien, Scherzrechten und Hänselbräuchen Luft, wie sie oft in Bräuchen der Handwerker überliefert sind. Von der Vielfalt der einst vorherrschenden Rechtsvorstellungen künden heute meist nur noch Zeugnisse der Sachkultur, die sich an wenigen Orten bzw. in einigen Museen erhalten haben. Auch in Sagenerzählungen und Volksschauspielen lebt ein Teil tradierter Rechtsanschauungen fort.

Inhalt des Seminars ist die Erarbeitung von Bereichen der Rechtsfindung und der Rechtsausübung in unterschiedlichen Ordnungssystemen, gesellschaftlichen Schichten und deren Tradierung in Bildern und Erzählungen. Epochen der Hohen Gerichtsbarkeit, der Strafrituale bis zur Hinrichtung als Schauspiel werden ebenso thematisiert wie Rechtsdenkmäler in Stadt und Land. Asylstätten, Hexenwahn, Haus und Hof als Rechtsbezirk. Rüge- und Feme-Handlungen auf dem Dorf charakterisieren den weiten Bereich zwischen Religion und Recht in Geschichte und Gegenwart. In Sagen und Legenden spiegeln sich altertümliche oder magische Rechtsvorstellungen, die auch durch Bildzeugnisse dokumentiert werden. Dabei ist beispielsweise auch Fragen nachzugehen, wie Ordnungssysteme funktionieren, welche Rollen dabei dem Wertewandel zufallen, worin die Reichweiten sozialer Kontrolle und Sanktion für den einzelnen in einer Gruppe bestehen, inwiefern Recht soziale Identität stiftet, in welchem Maß Arbeit und Kirche ‚Recht’ determinieren bzw. welche Faktoren den Prozess der Verrechtlichung innerhalb kultureller Äußerungen bedingen.

Für die aktuelle Diskussion der Wechselbeziehung von „Kultur und Recht“ gilt das Augenmerk den Thesen Michel Foucaults und seinem 1976 in Deutschland veröffentlichten Buch „Überwachen und Strafen“. Danach konstituierten die Machtstrukturen überhaupt erst die Subjekte, die dann eine Gesellschaft bilden. Diese Machttechniken hatten sich erst im 16. und 17. Jahrhundert allmählich entwickelt und setzten sich im 18. und 19. Jahrhundert in Reinform durch. Seitdem ist eine weitere Optimierung der Disziplinartechniken zu beobachten, die sich – so Foucault – auch in der Rechtspraxis äußert und sich in diversen täglichen Gerichtsshows im Fernsehen etabliert. So wird nach Foucault einerseits das Individuum durch kontrollierte Zugeständnisse gefügig gehalten (via Pädagogik und zunehmender Verrechtlichung der Gesellschaft) und zweitens verteilt sich der Machtmechanismus immer breiter in der Gesellschaft (Schule wird über Zeugnisse und Leistungen mit Firma verbunden; Schule, Jugendamt und Mitbürger kooperieren bei der Überwachung von Familien). Dabei setzen sich Systeme (zum Beispiel Staaten, Firmen) durch, deren Überwachung effektiv sowohl die Produktivität steigern als auch die Kosten für Herrschaft reduzieren sollen.

Empfohlene Literatur
1. Bader, Karl S./Dilcher, Gerhard: Deutsche Rechtsgeschichte. Land und Stadt, Bürger und Bauer im alten Europa. Berlin u.a. 1999.
2. Carlen, Louis (Hrsg.): Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde. 24 Bde. Zürich 1978-2007.
3. Blauert, Andreas/Schwerhoff, Gerd (Hrsg.): Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne. Konstanz 2000 (= Konflikte und Kultur. Historische Perspektiven, Bd. 1).
4. Danckert, Werner: Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe. Bern-München 1963.
5. Erler, Adelbert/Kaufmann, Erich (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Vollständig überarb. und erw. Aufl., hrsg. Albrecht Cordes. Berlin 2004² (http://www.hrgdigital.de/lieferungen.html).
6. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 201218(deutsche Erstausgabe)(Suhrkamp-TB Wissenschaft, 184)(Originaltitel: Surveiller et punir. Paris 1975, Übers.v. Walter Seitter).
7. Hartinger, Walter (Bearb.): „… wie von alters herkommen“ Dorf-, Hofmarks-, Ehehaft- und andere Ordnungen in Ostbayern. 3 Bde. Passau 1998/2002 = Passauer Studien zur Volkskunde, 14/15/20).
8. Köbler, Gerhard: Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte. Vin den Anfängen bis zur Gegenwart. München 1988.
9. Köstlin, Konrad/Sievers, Kai Detlev (Hrsg.): Das Recht der kleinen Leute. Beiträge zur rechtlichen Volkskunde. Berlin 1976.
10. Kramer, Karl-Sigismund: Grundriss einer rechtlichen Volkskunde. Göttingen 1974².
11. Künßberg, Eberhard von: Rechtliche Volkskunde. Halle/Saale 1936 (= Volk, Bd.3).
12. Künßberg, Eberhard von: Rechtsgeschichte und Volkskunde. Bearb. von Pavlos Tzermias. Köln 1965 (= Rechtshistorische Arbeiten, Bd.3).
13. Maisel, Witold: Rechtsarchäologie Europas. Aus dem Polnischen übers. von Rith Poninska-Maisel. Wien u.a. 1992.
14. Prosser, Michael: Spätmittelalterliche ländliche Rechtsaufzeichnungen am Oberrhein zwischen Gedächtniskultur und Schriftlichkeit. Untersuchungen am Übergang von analphabetischen zu skriptualen Überlieferungsformen im Blickfeld rechtlicher Volkskunde. Würzburg 1991.
15. Schempf, Herbert: Rechtliche Volkskunde. In: Brednich, Rolf W. (Hrsg.): Grundriss der Volkskunde. Berlin 1994², S.353-374.
16. Schild, Wolfgang: Alte Gerichtsbarkeit. Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechts-sprechung. München 1982².
17. Schwerhoff, Gerd: Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die Historische Kriminalitätsforschung. Tübingen 1999 (= Historische. Einführungen, 3).
18. Schwerhoff, Gerd: Historische Kriminalitätsforschung. Frankfurt/M. u.a. 2011 (= Historische Einführungen, 9).

Englischsprachige Informationen:
Credits: 7

Institution: Lehrstuhl für Europäische Ethnologie

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