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  Volkskundliche Aspekte europäischer Kinderkultur mit Exkursion nach Nürnberg (Germanisches Nationalmuseum und Spielzeugmuseum)

Dozent/in
PD Dr. Gerhard Handschuh

Angaben
Seminar
2 SWS
Studium Generale, Anmeldung über den zugehörigen VC-Kurs im Zeitraum 14.09. - 19.10.2015; Modulzuordnungen: Bachelor ab WS 14/15 (5 ECTS): BM III, BM IV, AM II; Bachelor bis SS 14 (7 ECTS): BM III, AM I, AM II; Master (7 ECTS): VM I, VM III; EM I, EM II; Lehramt (nur vor SS 2014): EWS II (3 ECTS); Studium Generale (5 ECTS)
Zeit und Ort: Fr 10:00 - 12:00, KR12/00.16; Bemerkung zu Zeit und Ort: Die Exkursion nach Nürnberg findet am 2. Dezember 2015 statt!

Inhalt
Wie im Alltag über Kindheit gesprochen wird, ist eng verknüpft mit Bildern aus der eigenen Kindheit bzw. der eigenen biografischen Kindheitsinterpretation. Nicht nur die Lebenswelten von Kindern, auch die Betrachtungsweise von Kindern und Kindheit unterliegt somit immer einem Wandel. Seit der Ende der 1950er Jahre entstandenen Arbeit von Philippe Ariès profilierte sich die Kindheit in ihrem gesellschaftlichen Wandel zu einem anerkannten Gegenstand der Sozialgeschichte und der Volkskunde. Dies veranlasste 1985 sich auf dem 25. Deutschen Volkskundekongress in Bremen mit dem Thema Kindheit und Kinderkultur auseinander zu setzen. Während der kritische Blick der Bremer Kongressbeiträge noch überwiegend auf die Vielfalt und Breite der Erscheinungsformen der Kinderfolklore, auf Kulturmuster der Erziehung, auf kinderbezogene Konsumstrategien und auf massenmediale Angebote für Kinder und deren Folgen gerichtet gewesen war, stellt sich die Problemlage inzwischen anders dar. Hatte damals soeben Neil Postman mit seinem Buch "The Disappearance of Childhood" (New York 1982) Aufsehen erregt, ist es inzwischen eher "The Disappearance of Children", über deren soziale, ökonomische und kulturelle Hintergründe - in Deutschland mit seiner extrem niedrigen Geburtenrate zumal - nachgedacht werden muss.
Wie immer aber auch das Bild der Erwachsenen von den ‚kleinen Menschen‘ war – sie haben in den verschiedensten Lebensverhältnissen eigene Praktiken, Gesellungsformen, Traditionen entwickelt. Das berechtigt, von Kinderkulturen zu sprechen, die sich historisch, aber auch nach sozialem Milieu, Geschlecht und Umwelt unterscheiden. Erst um 1800 setzte sich in adligen und bürgerlichen Kreisen ein Bewusstsein von der Kindheit als eigenständiger Lebensphase in der Entwicklung des Menschen durch. Diese Einsicht, die als „Entdeckung“ der Kindheit bezeichnet wurde, führte zu intensiveren Bemühungen um die Erziehung des Nachwuchses. Während zunächst weniger die Wirklichkeit der Kindheit, sondern vielmehr die Kindheit als Idee im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stand, setzte sich erst Mitte der 1970er Jahre eine neue Forschungsperspektive durch. Die Historische Sozialisationsforschung untersucht anhand biografischer und autobiografischer Quellen die lebensgeschichtliche Dimension in der Selbstinterpretation der Betroffenen. Das Seminar setzt hier an, indem - um Hermann Bausingers Thementeilung von 1985 aufzugreifen - unter "Kinderkultur" weniger die "Kultur der Kinder" als die "Kultur für Kinder" verstanden werden soll. Eine spezielle Herausforderung für die Europäische Ethnologie ist dabei der vergleichende Blick auf die sich recht unterschiedlich darstellenden Kinderkulturen Europas.
Das Seminar wird wichtigen entwicklungsgeschichtlichen Stationen der Kindheit insbesondere seit dem 18. Jahrhundert folgen. Kinderwunsch auf der einen, Verhütungs- und Abtreibungspraktiken auf der anderen Seite kommen ebenso zur Sprache wie die entwicklungsgeschichtlichen Stationen der Kindheit: Schwangerschaft, Geburt, erste Versorgung, häusliche Pflege, Kinderspiel und Kinderarbeit. Darüberhinaus beleuchtet werden verschiedene Etappen im Leben eines Kindes anhand sachkultureller Zeugnisse, vornehmlich am Spielzeug, das Entwicklungsstadien nachvollziehen lässt: Die Puppe als eine Art erste „Bezugsperson“ und die Puppenstube, die Entdeckung der Landschaft mit Holz- und Metallspielzeug, das Reisen mit fahrenden oder fliegenden Gerätschaften und schließlich die Phase, in der das Kind Berufsvorstellungen mit Hilfe dafür nötiger nachgebildeter Utensilien entwickelt. Zudem wird der Bezug zur Geschichte und zur Kunst hergestellt. Die Kindheitsphase endet mit der Loslösung aus dem Einflussbereich der häuslichen Umgebung. Stichworte sind hier: Schule, Kloster, Lehre und Hochzeit. Mit dem Einfluss der Medienentwicklung (Postmans These vom Verschwinden der Kindheit) sowie kommerziellen Spielzeug- und Bekleidungsangeboten werden aktuelle Problemfelder aufgezeigt. In einer 1-tägigen, für die Seminarteilnehmer verpflichtenden Exkursion zu bedeutenden Spielzeugmuseen der Region sollen die im Seminar gewonnenen Einsichten durch die Begegnung mit Zeugnissen der Sachkultur vertieft werden.

Empfohlene Literatur
1. Addor, Philippe: Spielzeug alter Zeiten. Lausanne 1990.
2. Cunningham, Hugh: Die Geschichte des Kindes in der Neuzeit. Düsseldorf 2006.
3. Fritzsch, Karl Ewald/Bachmann, Manfred: Deutsches Spielzeug. Hamburg 1965.
4. Historisches Museum Basel (Hrsg.): Kinderleben in Basel. Eine Kulturgeschichte der frühen Jahre. Basel 2005.
5. Gröber, Karl/Metzger, Juliane: Kinderspielzeug aus alter Zeit. Hamburg 1965².
6. Hugger, Paul (Hrsg.): Kind sein in der Schweiz. Eine Kulturgeschichte der frühen Jahre. Zürich 1998.
7. Köstlin, Konrad (Hrsg.): Kinderkultur. 25. Deutscher Volkskundekongress in Bremen 1985. Bremen 1987.
8. Kutschera, Volker: Spielzeug. Spiegelbild der Kulturgeschichte. Eine Dokumentation europäischer Spielzeugkultur, hauptsächlich dargestellt an typischen Spielzeugen des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts. München 1983.
9. Larass, Petra (Hrsg.): Kindsein kein Kinderspiel. Das Jahrhundert des Kindes (1900-1999). Ausstellung der Franckeschen Stiftung zu Halle v. 9.Juli bis 26.Nov. 2000. Halle/Saale 2000.
10. Meier, Frank: Von allerley Spil und Kurzweyl. Spiel und Spielzeug in der Geschichte. Ostfildern 2006.
11. Meier, Frank: Kindheit und Familie im Wandel der Geschichte. Ostfildern 2006.
12. Rett, Andreas: Die Geschichte der Kindheit als Kulturgeschichte. Wien 1992.
13. Van de Loo, Marie-José/Reinhart, Margarete (Hrsg.): Kinder. Ethnologische Forschungen in fünf Kontinenten. München 1993.
14. Weber-Kellermann, Ingeborg: Die Kindheit. Kleidung und Wohnen, Arbeit und Spiel. Eine Kulturgeschichte. Frankfurt/M. 1979.

Institution: Lehrstuhl für Europäische Ethnologie

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