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Figurenzyklen mit Ecclesia und Synagoge an mittelalterlichen Kirchenportalen. Wandlungen der Erzählform und der Deutung vom 12. bis zum 14. Jahrhundert

Als Repräsentanten des Alten und des Neuen Bundes sind die allegorischen Figuren von Ecclesia und Synagoge in der mittelalterlichen Kunst sehr häufig dargestellt. Sie erscheinen auch an Kirchenportalen, wobei auffällt, dass sich ihr Vorkommen auf Beispiele in Frankreich und im deutschsprachigen Raum beschränkt. Außerdem bleiben die Skulpturen in Frankreich eher kleinformatig, während sie in Deutschland auch in monumentaler Gestalt an den Portalgewänden vorkommen. Außer dieser Aufwertung im Format wurden in der deutschen Skulptur Kombinationen mit anderen Figurenallegorien erfunden, z. B. mit den Klugen und Törichten Jungfrauen, dem Himmlischen Bräutigam, dem Fürst der Welt, mit Tugenden und Lastern usw. Damit verknüpft ist ein auffälliger Bedeutungswandel, der das ursprünglich "gleichberechtigte" Auftreten der Vertreterinnen des Alten und Neuen Bundes in eine Gegenüberstellung umfunktioniert, bei der in unterschiedlichen Varianten sowohl moralisierende als auch antisemitische Tendenzen einfließen, die natürlich immer zu Ungunsten der Synagoge zu interpretieren sind. Die Deutungen scheinen letztlich hinauszulaufen auf eine Gleichsetzung der Ecclesia mit der Tugend der Keuschheit, während die Synagoge zur Vertreterin der Unkeuschheit wird. Die ikonographischen Konsequenzen für die Deutung solcher Figurenzyklen hat der Antragsteller schon 1974 in einem Aufsatz über die Figuren in der Vorhalle des Freiburger Münsters (um 1280/90) darzustellen versucht. Ausgangspunkt war dabei die These, dass die Freiburger Figuren während einer Restaurierung - wohl der von 1604/09 - in ihrer Reihenfolge vertauscht worden sind und in ihrer heutigen Position keinen rechten Sinn mehr ergeben. In einer Rekonstruktion der ursprünglichen Aufstellung habe ich versucht, das ikonographische Programm zu eruieren, auch im Vergleich mit anderen Zyklen des späten 13. Jahrhunderts.

Darüber hinaus machte ich bei der Beschäftigung mit dem Fürstenportal des Bamberger Doms (um 1225/30) Beobachtungen, die im Gegensatz zur gängigen Forschungsmeinung darauf hindeuten, dass der beschriebene Wandel der Interpretation bei Ecclesia und Synagoge viel früher einsetzt als bisher angenommen wurde. In Bamberg macht sich diese Tendenz nur in subtilen Details bemerkbar, z.B. in den Blickbeziehungen, in der Gewandung sowie in der Körper- und Gebärdensprache zwischen Ecclesia und Synagoge. Weitere Hinweise zur Interpretation liefern attributive Beifügungen und die bewußte Einbindung in das von der sog. Jüngeren Bildhauerwerkstatt für das Fürstenportal erweiterte Programm. In meinem ausführlichen Beitrag zur jüngeren Bildhauerwerkstatt des Bamberger Doms habe ich deshalb eine neue Interpretation der Bamberger Figuren von Ecclesia und Synagoge versucht.

Ähnliche Beobachtungen scheinen bereits für den Zyklus der Klugen und Törichten Jungfrauen an der Basler Galluspforte (um 1185/90) zuzutreffen. Die moralisierende Umdeutung setzt anfangs vorsichtig an und lässt sich nur durch genaue Betrachtung aller Details aufzeigen, so dass sie zunächst nur dem gut informierten, theologisch gebildeten Betrachter aufgefallen sein dürfte. Die Gegensätze zwischen Ecclesia und Synagoge werden jedoch im folgenden systematisch verhärtet und in zunehmend drastischen Erzählformen präsentiert, wozu sicherlich die damals weit verbreiteten geistlichen Schauspiele gleicher Thematik ihren Anteil beigetragen haben. Die Distanzierung vom Alten Bund (= Judentum) und seine Gleichsetzung mit einem unreinen, sündigen Leben scheint immer mehr instrumentalisiert worden zu sein zur Vorbereitung bzw. vorauseilenden Rechtfertigung des wachsenden Antisemitismus bis hin zu den Judenvertreibungen um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Es dürfte sich meines Erachtens lohnen, alle Zyklen mit Figuren von Ecclesia und Synagoge an den deutschen Kirchenportalen noch einmal sorgfältig auf ihre Erzählform und die daraus zu erschließenden Interpretationen hin zu untersuchen.
Projektleitung:
Prof. Dr. Achim Hubel

Laufzeit: 1.1.2004 - 31.12.2005

Förderer:
Universität Bamberg

Publikationen
Hubel, Achim: Das ursprüngliche Programm der Skulpturen in der Vorhalle des Freiburger Münsters . In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 11 (1974), S. 21-46
Hubel, Achim: Die jüngere Bildhauerwerkstatt des Bamberger Doms. Überlegungen zur Erzählform und zur Deutung der Skulpturen . In: Gasser, Stephan ; Freigang, Christian ; Boerner, Bruno (Hrsg.) : Architektur und Monumentalskulptur des 12.-14. Jahrhunderts. Produktion und Rezeption, Festschrift für Peter Kurmann zum 65. Geburtstag. - Architecture et sculpture monumentale du 12e au 14e siècle. Production et réception, Mélanges offerts à Peter Kurmann à l'occasion de son soixante-cinquième anniversaire. Bern : Peter Lang, 2006, S. 475-528. - ISBN 3-03910-679-1
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