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Einrichtungen >> Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften >> Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK) >> Lehrstuhl für Denkmalpflege - Heritage Sciences >>
Kritische Analyse der Restaurierung von Baudenkmälern

Forschungsgegenstand sind Baudenkmäler von besonderer Qualität und Bedeutung, die in jüngerer Zeit einer umfassenden Restaurierung unterworfen worden sind. Dabei sollte die Restaurierungsmaßnahme mit besonderer Sorgfalt und unter Beteiligung der zuständigen Denkmalfach- und Denkmalschutzbehörden durchgeführt worden sein. Der Zustand des Objekts vor und nach der Restaurierung soll kritisch miteinander verglichen werden. Hinzuzuziehen sind das schriftlich formulierte Restaurierungskonzept und alle faßbaren Beschlüsse und Entscheidungen während der Durchführung der Maßnahme.

Es gibt zwar viele Publikationen zu Restaurierungsmaßnahmen; diese werden aber regelmäßig von den beteiligten Behörden (z.B. Landesämter für Denkmalpflege, Untere Denkmalschutzbehörden) oder den Eigentümern der Objekte (z.B. Kirchengemeinden, Banken, Stiftungen, Instituten usw.) herausgegeben. Von daher entbehren diese Publikationen der kritischen Distanz, die für eine objektive Beurteilung und Bewertung der Maßnahmen erforderlich wäre. Während andere öffentliche Aufgaben wie Neubauten oder städtebauliche Lösungen in großem Umfang Gegenstand der kritischen Analyse durch - nicht beteiligte - Fachleute sind, fehlt eine derartige Auseinandersetzung nahezu gänzlich bei Restaurierungsmaßnahmen, obwohl die Kosten bei bedeutenden Objekten erheblich sind und nicht selten zweistelligen Millionenbeträge erfordern. Die kritische "Rezension" aufwendiger Restaurierungen muß als echtes Desiderat der Forschung im Bereich Denkmalpflege angesehen werden.

Die Praxis restauratorischer Maßnahmen läßt heute in vielen Fällen eine Diskrepanz gegenüber den Prinzipien denkmalpflegerischen Handelns erkennen, wie sie in der Charta von Venedig aus dem Jahre 1964 formuliert sind. Dies fällt umso mehr auf, als von den verantwortlichen Fachbehörden, z.B. von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, stets die Verbindlichkeit der Charta von Venedig betont wird. Während es nach den offiziellen Verlautbarungen die vornehmste Pflicht des Denkmalpflegers sei, die "Spuren der Geschichte" zu erhalten, den vorgefundenen Bestand zu konservieren und nicht verändernd einzugreifen, zeigt die Erfahrung, daß in nahezu allen Fällen der Restaurierung prominenter Baudenkmale während der letzten Jahre andere Absichten verfolgt wurden. Fast immer bemühte man sich darum, das Objekt ästhetisch zu "verschönern" und eigenen künstlerischen Vorstellungen anzupassen. Die Rechtfertigung dafür liefert die behauptete Rückführung in den "originalen" Zustand, d. h. in die für die Entstehungszeit des Objekts vermutete Erscheinungsform.

Verfolgt man diese Praxis, scheinen die gegenwärtig durchgeführten Restaurierungsmaßnahmen - abgesehen von vielen im Detail unterschiedlichen Einzelentscheidungen - in den grundsätzlichen Konzepten auf ähnlichen Maximen zu beruhen, die im Endergebnis zu verwandten Zuständen führen, auch wenn sie nicht mit den offiziell behaupteten Prinzipien übereinstimmen. Nach einem - nicht zugestandenen - Konsens dürften sich also zunehmend Tendenzen bemerkbar machen, wie sie auch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vertreten worden waren. Die damals angewandten Prinzipien der sog. Stilreinheit und der versuchten Rekonstruktionen ursprünglicher Zustände werden aber in der Fachliteratur stets eher negativ beurteilt und als Fehlentwicklung bezeichnet. Es gibt bisher keinen Versuch, die gegenwärtige Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis aufzuzeigen und nach den Gründen hierfür zu fragen, obwohl die heute angewandten Grundlagen denkmalpflegerischen Handelns auf keinen Fall mehr mit den öffentlich vertretenen Theorien erklärt werden können. Nur aus der Analyse der nachgewiesenen, typischen Vorgehensweisen kann der Versuch unternommen werden, die in der Praxis üblich gewordenen, offenbar gewandelten Prinzipien gegenwärtiger Denkmalpflege herauszuschälen.

Nach dem Beginn der Arbeiten an diesem Forschungsprojekt zeigte sich bald, daß Maßnahmen in den neuen Bundesländern während der letzten Jahre offensichtlich eine weitere Verschiebung einzelner Schwerpunkte zur Folge hatten. Die öffentlichkeitswirksam durchgeführte Diskussion über die Rekonstruktion von Baudenkmälern, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, jetzt aber - nach mehr als 50 Jahren - wiederaufgebaut wurden bzw. werden (z. B. Frauenkirche Dresden, Dresdner Schloß, Schauspielhaus Dresden), führt m.E. zu einem wesentlichen Wandel denkmalpflegerischer Prinzipien, auch wenn dies von den meisten Fachkollegen anders dargestellt wird. Bei Rekonstruktionen geht es nicht um Substanzerhaltung, sondern um die Erstellung eines Abbildes in einem ästhetisch perfekten "Neuheitswert". Scharfe Diskussionen zwischen Denkmalpflegern in den alten und in den neuen Bundesländern lassen erkennen, daß es nicht nur - wie oben beschrieben - eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis gibt, sondern auch unterschiedliche Anschauungen zwischen Ost und West, die sich seit der Wiedervereinigung Deutschlands merkwürdigerweise nicht einander angenähert haben.

Untersucht wurden eine repräsentative Reihe bedeutender Baudenkmale aus unterschiedlichen Epochen, die in letzter Zeit grundlegend restauriert worden sind und zu denen umfangreiche Dokumentationen vorliegen. Die Art und Weise der Eingriffe, Gestaltungen, Rekonstruktionen usw. mußte - im Vergleich zum Vorzustand - sorgfältig analysiert werden. Vor allem war auf verwandte oder heterogene Strukturen der Vorgehensweise zu achten, aus denen eine gültige, auf die Gegenwart anwendbare, grundsätzliche Theorie des denkmalpflegerischen Handelns erarbeitet werden soll.

Das 1995 begonnene Projekt fand eine zusammenfassende Darstellung in der Tagung: "Dokumente und Monumente - Positionsbestimmungen für die Denkmalpflege", die vom 10.-14. September 1997 an der Technischen Universität Dresden abgehalten worden ist. Veranstalter war der Arbeitskreis für Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., in Zusammenarbeit mit dem Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege der Technischen Universität Dresden. Organisiert vom Projektleiter und mehreren Dresdner Fachkollegen konnten grundsätzliche Fragen zur gegenwärtigen Position der Denkmalpflege und zur Praxis des Restaurierens diskutiert werden. Die Ergebnisse der Tagung wurden in einem Sammelband publiziert.

Darüber hinaus wird die kritische Auseinandersetzung mit dem Fragenkomplex des Forschungsprojekts immer zu den speziellen Interessensgebieten des Berichterstatters gehören, so daß das Thema auch zukünftig aufgegriffen und diskutiert werden wird.
Projektleitung:
Prof. Dr. Achim Hubel

Beginn: 1.1.1995

Förderer:
Universität Bamberg

Publikationen
Hubel, Achim: Denkmäler als Geschichtsdokumente - Irritationen für die Ästhetik einer heilen Welt? In: Hubel, Achim ; Wirth, Hermann (Hrsg.) : Dokumentation der Jahrestagung 1994 in Weimar - Thema: Denkmale und Gedenkstätten (Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. Weimar 28.09.-01.10.1994). Weimar : Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar - Universität, 1995, S. 167-178. (Publikationen des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege Band 7 = Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar - Universität - Jahrgang 41, Heft 4/5)
Hubel, Achim: Die Gratwanderung zwischen Bewahren und Erneuern. Über das Berufsethos des Denkmalpflegers . In: Denkmalschutz-Informationen, hrsg. vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz 19 (1995), Nr. 3, S. 77-82
Hubel, Achim: Bemerkungen und grundsätzliche Überlegungen zur Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege . In: Denkmalschutz-Informationen 20 (1996), Nr. 2, S. 73-76
Hubel, Achim: Die Gratwanderung zwischen Bewahren und Erneuern. Über das Berufsethos des Denkmalpflegers . In: Wohlleben, Marion (Hrsg.) : Die Klosterkirche Rheinau - Der Bau und seine Ausstattung. Zürich und Egg : Kommissionsverlag Fotorotar AG, 1997, (Zürcher Denkmalpflege - Monographien Denkmalpflege Bd. 2), S. 15-21. - ISBN 3-905647-71-0
Hubel, Achim: Die Gebäude der Universität in der Altstadt. Baugeschichtliche und denkmalpflegerische Aspekte . In: Machilek, Franz (Hrsg.) : Haus der Weisheit - Von der Academia Ottoniana zur Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Katalog der Ausstellungen aus Anlaß der 350-Jahrfeier. Bamberg : Universitäts-Verlag, 1998, S. 410-436. - ISBN 3-933463-00-9
Hubel, Achim: Über die kontinuierliche Anpassung der Denkmale an den jeweiligen Zeitgeschmack . In: Hammerschmidt, Valentin ; Schmidt, Erika ; Will, Thomas (Hrsg.) : Dokumente und Monumente. Positionsbestimmungen in der Denkmalpflege (Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. Dresden 09.-13.09.1997). Dresden : Michel Sandstein Grafischer Betrieb und Verlagsgesellschaft, 1999, S. 89-103. (Publikationen des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. Bd. 10) - ISBN 3-930382-41-5
Hubel, Achim: Der Umgang mit der Lücke: Rekonstruktion - Neuschöpfung - Kopie - Abguß. Historischer Rückblick und kritische Analyse . In: Domstiftung Regensburg (Hrsg.) : "Turm - Fassade - Portal" (Colloquium zur Bauforschung, Kunstwissenschaft und Denkmalpflege an den Domen von Wien, Prag und Regensburg Regensburg 27.-30.09.2000). Regensburg : Verlag Schnell & Steiner, 2001, S. 171-181. - ISBN 3-7954-1409-1
Hubel, Achim: Der Regensburger Dom und seine Restaurierungen im überregionalen Vergleich . In: Dallmeier, Martin ; Reidel, Hermann ; Trapp, Eugen (Hrsg.) : Wider die Vergänglichkeit. Theorie und Praxis von Restaurierung in Regensburg und der Oberpfalz (19. Regensburger Herbstsymposion für Kunst, Geschichte und Denkmalpflege Regensburg 19. - 21. 11. 2004). Regensburg : Universitätsverlag Regensburg, 2005, S. 91-126. - ISBN 3-930480-69-7
Hubel, Achim: Monumenti come documenti storici contrapposizione ad un'estetica di un mondo salvato? In: Fiorani, Donatella (Hrsg.) : Il restauro architettonico nei paesi di lingua tedesca - Fondamenti, dialettica, attualità. Roma : Bonsignore Editore, 2006, (Scuola di specializzazione per lo studio ed il restauro dei monumenti, Università degli studi di Roma "La Sapienza", Strumenti Bd. 21), S. 103-116. - ISBN 88-7597-343-1
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