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Einrichtungen >> Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften >> Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK) >> Lehrstuhl für Denkmalpflege - Heritage Sciences >>
Untersuchungen zur wachsenden Diskrepanz zwischen Denkmaltheorie und -praxis in den deutschsprachigen Ländern zwischen 1900 und 1945

Mit der Absage an den Historismus wurde um 1900 die Denkmalpflege auf eine völlig neue theoretische Basis gestellt. Vor allem durch Kunsthistoriker wie Georg Dehio und Alois Riegl erhielt die Konservierung der Baudenkmäler oberste Priorität. Künstlerischen Eingriffen und "stilreinen" Überformungen alter Substanz wurde eine rigorose Absage erteilt. Musterrestaurierungen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts machten die neuen Tendenzen bekannt und wurden weitgehend akzeptiert. Unter dem Einfluß des 1904 gegründeten Bundes Heimatschutz und prominenter Kunsthistoriker wie Max Dvorák setzte sich jedoch bald eine Ausnahme von der - eben erst entwickelten - Regel durch: Bauwerke, Ausstattungen und Restaurationen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (also des Historismus) wurden von der Forderung nach Konservierung ausgenommen, - im Gegenteil, man forderte ihre Zerstörung, zumindest ihre Purifizierung, da man dieser Epoche insgesamt jede künstlerische Eigenleistung absprach. Die durch die Umsetzung solcher Forderungen ihrer historistischen Dekoration und Ausstattung beraubten Kirchen, Schlösser, Burgen usw. benötigten aber nun eine meue Einrichtung, die hierfür entworfen werden mußte. Nach der Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg nahmen derartige Maßnahmen systematisch zu: In den Landesdenkmalämtern wurden eigens sogenannte Künstlerkonservatoren eingestellt, deren Hauptaufgabe darin bestand, Erneuerungskonzepte für Baudenkmäler zu entwerfen, deren Ausstattung des 19. Jahrhunderts man zuvor entfernt hatte. Um 1930 entwickelte man hierfür den Begriff der "Schöpferischen Denkmalpflege" und bezeichnete diese "künstlerische, neuschöpferische Tätigkeit als die wichtigste Aufgabe des Denkmalpflegers". Dies verwundert umso mehr, als man nach wie vor die theoretischen Grundlagen von Dehio und Riegl zitierte und behauptete, exakt nach deren Prinzipien zu handeln.

In der Zeit des Dritten Reichs erlebte die Denkmalpflege einen gewaltigen Aufschwung. Finanziert wurden aber nur Projekte, die ideologisch verwertbar waren, etwa die weitere Zerstörung des als "dekadent" abqualifizierten Historismus (sog. Entschandelungen) oder die Freilegung von - in der Barockzeit verputzten - Fachwerkfassaden, die als "germanisch" bzw. "urdeutsch" die Hauslandschaft in Deutschland zunehmend prägen sollten. Die Eingriffe in die Baudenkmäler wurden immer radikaler und entwickelten durch den Zwang der Anpassung an die vorhandene Architektur eine neue Form des Historismus, die sich nicht prinzipiell von den Lösungen des 19. Jahrhunderts unterschied. Dennoch verachtete man nach wie vor die Leistungen dieser Epoche und wähnte sich in einer neuen Ära der Denkmalpflege auf der Basis der Theoretiker von 1900.

Ziel des Projekts ist ein grundsätzlicher Vergleich der wissenschaftlichen Publikationen und der Theorie-Diskussionen auf den Denkmalpflege-Tagungen mit der gleichzeitigen Praxis der Bau- und Kunstdenkmalpflege. Eine kritische Analyse der hier deutlich werdenden Diskrepanzen soll der Klärung der Frage dienen, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte und welche Rolle konservative bis nationalistische Wortführer (z.B. Paul Clemen, Paul Schultze-Naumburg oder Rudolf Esterer) hierbei spielten, - auch bei der bereitwilligen Aufnahme nationalsozialistischen Gedankenguts für die Begründung denkmalpflegerischer Maßnahmen.

In jüngster Zeit bin ich verstärkt diesem Thema nachgegangen: Der Theoriebildung um 1900 widmete ich mich im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts "Stadterhaltung Split" (siehe dort); einige Ergebnisse hieraus stellte ich bei dem Wissenschaftlichen Kolloquium "Kunstgeschichte, Bauforschung, Restaurierungswissenschaft und Denkmalpflege im Dienst der Bau- und Kunstwerke" an der Technischen Universität Berlin (16./17. Februar 2001 vor, veranstaltet vom Graduiertenkolleg "Kunstwissenschaft - Bauforschung - Denkmalpflege"). Die ersten, noch summarischen Gedanken zu den Wandlungen zwischen 1900 und 1945 skizzierte ich in einem Vortrag bei der Tagung "Denkmäler als Zeitgenossen - Ihre Rolle in der Baukultur der Gegenwart" an der Technischen Universität Graz (13.-16. September 2001, veranstaltet vom Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V.), unter dem Titel: "Moderne Architektur und Denkmalpflege - Gemeinsame und getrennte Wege 1900 - 1945" (veröffentlicht in der Tagungspublikation). Einen weiteren Vortrag mit dem Thema "Der Generalkonservator Alois Riegl. Verdichtung des Denkmalbegriffs durch die Erfahrungen in der Praxis" hielt ich am 15. März 2003 beim XXVII. Deutschen Kunsthistorikertag in Leipzig, innerhalb der Sektion "Der Streitwert der Denkmalpflege". (Die Publikation dieses Vortrags ist erfolgt).
Projektleitung:
Prof. Dr. Achim Hubel

Stichwörter:
Denkmalpflegetheorie; Denkmalpflegepraxis; Architektur 20. Jahrhundert

Laufzeit: 1.1.2002 - 31.12.2003

Förderer:
Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Publikationen
Hubel, Achim: Moderne Architektur und Denkmalpflege: Gemeinsame und getrennte Wege zwischen 1900 und 1945 . In: Hammerschmidt, Valentin (Hrsg.) : Denkmale als Zeitgenossen (Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege Graz 12. - 15. 09. 2001). Dresden : Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., 2004, S. 17-34.
Hubel, Achim: Der "Generalkonservator" Alois Riegl. Verdichtung des Denkmalbegriffs durch die Erfahrungen in der Praxis . In: Fink, Alexandra ; Hartleitner-Wenig, Christiane ; Reiche, Jens (Hrsg.) : Achim Hubel: Kunstgeschichte und Denkmalpflege. Ausgewählte Aufsätze, Festgabe zum 60. Geburtstag. Petersberg : Michael Imhof Verlag, 2005, S. 217-230. - ISBN 3-86568-018-6
Hubel, Achim: Der "Generalkonservator" Alois Riegl. Über die Wechselwirkung von Theorie und Praxis in der Denkmalpflege . In: Verband österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker (Hrsg.) : REVISIONEN (13. Tagung des Verbands österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker Linz 13.-16.10.2005). Wien : Holzhausen Druck & Medien GmbH, 2006, S. 74-80. (Kunstgeschichte. Mitteilungen des Verbands österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker Bd. XXII/XXIII)
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