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Unterrichtskommunikation

Das seit 1992 von der DFG geförderte, interdisziplinär und interuniversitär angelegte Forschungsprojekt Unterrichtskommunikation erarbeitete auf der Basis von umfangreichen Prozessdaten detaillierte Informationen über den Verlauf von Gruppenunterricht (GU) und die in ihm auftretenden Beziehungen.
Hintergrund bildeten folgende Überlegungen: Zu den zunehmenden gesellschaftlichen Anforderungen an Schule und schulisches Lernen gehört die Vermittlung sogenannter "Schlüsselqualifikationen" wie Team- und Kooperationsfähigkeit, Eigenverantwortung und Kreativität. In diesem Zusammenhang wird unter anderem dem Gruppenuntericht besondere Bedeutung beigemessen. Im Unterschied zum Stand der Forschung über Effekte kooperativen Lernens ist aber kaum etwas bekannt über die interaktiven Prozesse, die zu diesen Effekten führen. Aus den gewonnenen Prozessdaten bezüglich des Verlaufs von Gruppenunterricht kann eine differenzierte Didaktik des Gruppenunterrichts aufgebaut werden.
Methode:
Zwei Perspektiven prägen das Vorgehen: Einerseits wird untersucht, was sich beobachtbar zwischen Lehrkraft und SchülerInnen sowie vor allem zwischen den SchülerInnen untereinander in den Arbeitsgruppen im Einzelnen abspielt (Außensicht). Andererseits werden die Subjektiven Theorien der Lehrkräfte eruiert (Innensicht), um herauszufinden, worin die subjektive Logik und gedankliche Ordnung ihres Unterrichtshandelns im zeitlichen Ablauf besteht. Diese beiden Aspekte werden miteinander konfrontiert. Die Datenbasis für die Außensicht besteht aus 40 Gruppenunterrichtssequenzen der fünften und sechsten Jahrgangsstufe an verschiedenen Hauptschulen, die audio-visuell aufgezeichnet und transkribiert wurden.
Ergebnisse:
Im Mittelpunkt der noch laufenden Auswertungen des komplexen Datenmaterials stehen bisher unter anderem folgende Aspekte:
1. Die Intragruppenprozesse, oder: Was passiert wirklich im Gruppenunterricht (GU)? In der Phase der eigentlichen Gruppenarbeit wurden verschiedene inhaltliche, beziehungsbestimmte und prozessuale Aspekte der Intragruppenkommunikation über die Zeit hinweg verfolgt. Dabei zeigt sich, dass innerhalb der Gruppe bestimmte Führungsstrukturen entstehen (sozio-emotional, freundlich-bestimmend oder autoritär). Dem ersten Typ konnten 15%, dem zweiten 45% und dem dritten 40% zugerechnet werden. Eine höhere Qualität der Arbeitsergebnisse wird tendenziell eher von den sozio-emotional geführten Gruppen erzielt.
2. Arbeitsaufträge und Lehrerinterventionen Durch präzise und verständliche Arbeitsaufträge sowie durch Verständnissicherung kann entscheidend dazu beigetragen werden, dass keine oder zumindest wenig Desorientierung in den Gruppen auftritt, dass Lehrerinterventionen vermieden werden können, dass die inhaltliche Progression forciert wird und gute Arbeitsergebnisse zustandekommen.
3. Lehrerinterventionen Viele Lehrkräfte intervenierten während der Gruppenarbeit häufig und lange. Dies wirkte sich eher ungünstig aus. Je nach Situationsbezug können sogenannte "paradoxe Wirkungen von Lob und Tadel" entstehen. Positive Evaluativa zum Beispiel bringen nur bei gleichzeitig hohem Situationsbezug eine Verbesserung der nachfolgenden Intragruppenprozesse; und auch bei negativen Evaluativa spielt die moderierende Variable Situationsbezug eine entscheidende Rolle.
4. Die subjektive Logik des Lehrerhandelns, oder: Was geht im Kopf der Lehrkräfte vor? Die gemeinsam mit den Lehrkräften rekonstruierten Subjektiven Theorien enthalten die Situationseinschätzungen, Entscheidungskriterien und Handlungsmaßnahmen jeder Lehrkraft für die didaktischen Varianten und Abläufe ihrer Gruppenunterrichtsführung. Es wurden für einzelne Situationen und Handlungen minutiöse Vergleiche zwischen der rekonstruierten Innensicht und der beobachteten Außensicht durchgeführt. Dabei zeigte sich ein erstaunlich hoher Übereinstimmungsgrad, der sich dahingehend interpretieren lässt, dass Subjektive Theorien die tatsächliche Wissensbasis des Lehrerhandelns im GU bilden.
5. Qualitätsmerkmale von Gruppenunterricht Beobachtbare Unterrichtsvariablen einerseits und Wissensstrukturen der Lehrkräfte andererseits bestimmen die Qualitätsmerkmale des GU. Auf Seite der Schülervariablen gelten als Bewertungsindikatoren das Ausmaß an Desorientierung nach dem Arbeitsauftrag, die während der Gruppenarbeit ablaufenden Intragruppenprozesse, die Arbeitsergebnisse der Gruppenarbeit und die Aufmerksamkeit in der Auswertungsphase. Dazu wurden vor allem folgende Lehrervariablen als Qualitätskriterien identifiziert und zu einem Gesamtwert pro Lehrkraft zusammengefasst: Präzision/Verständlichkeit und Verständnissicherung (im Arbeitsauftrag), geringer Zeitanteil der Lehrerinterventionen und deren Situationsbezug (während der Gruppenarbeit) sowie Integration/Sicherung der Ergebnisse (in der Auswertung). Dieses Maß der Außensicht wird mit einem formalen und einem inhaltlichen Maß der Innensicht in Beziehung gesetzt. Es zeigte sich, dass Lehrkräfte, die nicht über die entsprechenden kognitiven Voraussetzungen verfügen, nicht in der Lage sind, einen qualitativ hochwertigen GU zu halten.
6. Probleme didaktischen Handelns Probleme des Unterrichtshandelns wurden mit Hilfe der Theorie der Subjektiven Imperative nach Angelika C. Wagner untersucht. Imperative in diesem Sinne sind Kognitionen, die für das Individuum den Charakter eines subjektiv verbindlichen „Muss" bzw. „Darf nicht" haben (z.B. „Ich muss den Lehrplan einhalten!" oder „Die Schüler sollen aufpassen!"). Wenn ein solcher Imperativ verletzt bzw. seine Verletzung antizipiert wird, entsteht im Bewusstsein des Individuums ein sogenannter Imperativverletzungskonflikt. Die Imperative bzw. Imperativverletzungskonflikte der an der Untersuchung beteiligten Lehrkräfte wurden mit Hilfe von Interviews erhoben. Dem Anschein nach stehen den „neuen" Imperativen, die Selbständigkeit der SchülerInnen fördern zu müssen, tief einsozialisierte Kontroll-Imperative gegenüber, was zu immer wiederkehrenden Handlungsunsicherheiten führt. Der Blick von außen auf die Qualität des GU zeigt, dass es gerade diese Unsicherheiten in Form von Imperativ-Imperativ-Konflikten sind, die das Handeln der Lehrkräfte beeinträchtigen: Je weniger derartige Konflikte eine Lehrkraft hat, desto besser ist ihr GU.
Lösungsmöglichkeiten:
In einem mehrstufigen Prozess wurden bei den Lehrkräften drei "Grundtypen Sozialer Repräsentationen des GU" abstrahiert. Sie stellen überindividuelle Wissenssysteme dar, die in unterschiedlicher Weise in Subjektive Theorien einfließen können, und als organisierende Prinzipien die Bewältigung einzelner Anforderungen bei der Unterrichtsdurchführung prägen.
Die hier nur knapp umrissenen Typen charakterisieren den von der Lehrkraft gesetzten Rahmen und das Interaktionsverhältnis zwischen Lehrkraft und SchülerInnen. Im ersten Typ bleibt die Lehrkraft in ihrer Rolle als wissende Autorität, die kontrollieren und steuern muss, verhaftet. Im zweiten Typ löst sich die Lehrkraft von ihrer Rolle als Wissensvermittlerin und steht für Beratung und Hilfen zur Verfügung. Im dritten Typ verlässt die Lehrkraft phasenweise ihre Rolle als Wissensvermittlerin, verweigert Hilfe, wenn die SchülerInnen selber Lösungen finden können, und verändert sogar ihren Plan, wenn die Eigendynamik der SchülerInnen dies nahelegt. Auf dieser theoretisch und empirisch begründeten Basis lässt sich eine differenzierte Didaktik des GU aufbauen, die letztlich auf die Realisierung von Typ 3 abzielt.
Projektleitung:
Prof. Dr. Hanns-Dietrich Dann (Universität Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Theodor Diegritz (Universität Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Heinz Stephan Rosenbusch

Laufzeit: 15.10.1988 - 22.12.2001

Förderer:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Publikationen
Rosenbusch, Heinz Stephan ; Dann, H.-D. ; Diegritz, Th. (Hrsg.): Gruppenunterricht im Schulalltag. Realität und Chance. . Erlangen : Universitätsbund Erlangen-Nürnberg e.V., 1999 (Erlanger Forschungen, Reihe A Bd. 90)
Rosenbusch, Heinz Stephan ; Barth, A.-R. ; Dann, H.-D. ; Diegritz, Th. ; Fürst, C. ; Haag, L.: Erfolgreicher Gruppenunterricht. Praktische Anregungen für den Schulalltag . Stuttgart : Ernst Klett Verlag, 2001

Institution: Professur für Wirtschaftspädagogik (Prof. Dr. Annen)
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